MAGAZIN – LEBEN IN ISRAEL

Die nationale Puddingkrise – ein Kommentar zur aktuellen Diskussion über Lebensmittelpreise

in Israel Zwischenzeilen

Man kann es nicht oft genug sagen: Es geht nicht nur um Pudding. Es geht um die Frage, wie Leben in Israel zukünftig aussehen soll. Es geht um die Frage, wie man israelischen Politikern vertrauen soll, die für Versprechen gewählt werden, die sie später nicht einhalten können. Und es geht um die Frage, was noch passieren muss, wenn selbst Demonstrationen von teilweise über einer Million Menschen, wie im Sommer 2011, keine Änderungen bringen.

Der Pudding ist, wie der Cottage 2011, das Symptom. Die Krankheit ist eine ganz andere. Die hitzige Diskussion, ob man nun sein Land liebt, wenn man es verlässt und ob gerade Berlin ein adäquates Ziel ist, geht oft am Thema vorbei. Das eigentliche Problem sind doch die hohen Kosten. Lebensmittel kosten in Israel, das zeigen unzählige detaillierte Aufstellungen von israelischen Medien, 20 bis 60 Prozent mehr als der OECD-Durchschnitt. Und schon erst recht mehr als in deutschen Supermärkten (und übrigens auch vielen Schweizer Supermärkten), die für ihre preiswerten Waren bekannt sind. Doch neben Lebensmittel sind auch die Mieten höher als in vielen Stadtteilen in Berlin, auf Autos kommt eine 100-prozentige Einfuhrsteuer, ja, selbst Pampers, stellte ich bei meinem letzten Berlin- Aufenthalt fest, sind im kinderreichen Israel teurer. Grund dafür sind exorbitante Steuern, monopolartige Strukturen, Import-Restriktionen und die Notwendigkeit für Kosher-Zertifikate, selbst für Putzmittel.

Doch bei aller Wut, die viele Israelis ob dieser Vergleiche fühlen, es gibt immer noch genügend Israelis, die eben nicht finden, dass die Situation wirklich so schlimm ist. „Man muss einfach nur clever einkaufen. Wenn Tomaten im Angebot sind, kaufe ich eben Tomaten. Und wenn sie an einem Tag extrem teuer sind, kaufe ich eben keine.“, erklärte mir am Wochenende meine Schwägerin, wohlgemerkt Programmiererin und damit zu den besser Verdienenden gehörend. „Ja sind wir denn hier im Kommunismus?“, rief mein Schwiegervater zurück. Und auch ich fühlte mich an DDR-Zeiten erinnert, in denen meine Eltern Unmengen Ketchup kauften, weil er eben gerade mal zu haben war.

Ich meine: Wer in der Start-up Nation Israel lebt, sollte Tomaten kaufen können, wann immer er oder sie Lust darauf hat. Erst drei Jahre ist es her, dass die Leute auf der Strasse waren und geändert hat sich nichts – im Gegenteil, 2013 sind viele Produkte sogar noch teurer geworden und die Gesetze, die für mehr Wettbewerb auf dem Nahrungsmittelmarkt sorgen soll, immer noch nicht in Kraft getreten. Israelis vergessen schnell, sagt man. Weil in der Zwischenzeit zwei Kriege geführt wurden und existenzielle Probleme die Sorge um zu hohe Preise verdrängt hat. Aber wenn mehr und mehr junge Leute nach Berlin auswandern, weil sie sich das Leben in Israel einfach nicht mehr leisten können (oder wollen), werden auch die hohen Kosten zum existenziellen Problem. Ich kann nur hoffen, dass das den israelischen Politikern klar ist, denn es geht nicht um Pudding. Es geht um unsere Zukunft.

Der Pudding, mit dem alles anfing: Mehr als 20.000 Fans hat die Facebook-Seite „Olim le Berlin“ (Auswandern nach Berlin), auf dem dieses Foto gepostet wurde, mittlerweile.
Der Pudding, mit dem alles anfing: Mehr als 20.000 Fans hat die Facebook-Seite „Olim le Berlin“ (Auswandern nach Berlin), auf dem dieses Foto gepostet wurde, mittlerweile.

 

Redakteurin Katharina Höftmann Ciobotaru arbeitete im Auslandsbüro der dpa in Tel Aviv und für die WELT ONLINE. Sie lebt als freie Journalistin und Buchautorin in Tel Aviv («Guten Morgen Tel Aviv», «Die letzte Sünde»).

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